EU, EWG;EG, Rahmenabkommen

oben: Webpage der EZB bei 10,9 % Inflation (Sept. 2022)

Die EU - gestern nötig , heute schrötig, morgen unnötig

Die EWG und die Europäische Gemeinschaft EG haben in der Nachkriegszeit die Freizügigkeit, die Nicht-Diskriminierung und den Marktzutritt in Europa geschaffen. 
Die Märkte sind allgemein dank den Abkommen der Welthandelsorganisation WTO weltweit geöffnet. Die Weltgesellschaft und Weltwirtschaft leben aus vielen anderen allgemein anerkannten Standards, Normierungen und Rechtsakten ( Internationale Fernmelde-Union UIT, Welt-Patentamt WIPO, CEN, CENELEC, IASB, Icann, Weltpostverein). Die EU versucht auf vielen dieser Gebiete nur einfach Zusatzregulierungen zu machen, was unnötig wurde.
Deshalb ist die EU ein charmantes Projekt der Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts, damals nötig, heute nicht. So nüchtern hat man zu urteilen, nicht aber im Ton hoher Sakralisierung „des europäischen Projekts“, den man aus Berlin, Brüssel, Paris vernimmt (weniger von anderswoher).
Ausserdem geniesst Mittel- und West-Europa Frieden, weil Deutschland erstmals demokratisch geworden ist. Die vier vorherigen Bürgerkriege des Kontinents sind alle durch die autokratischen deutschen Regimes bedingt gewesen (1866, 1870, 1914, 1939). Keine Demokratie hätte einen kontinentalen Krieg angefangen, etwa die „Troisième République“ Frankreichs oder das British Empire. Und bis zur Entfachung des preussisch-kleindeutschen Nationalismus’ herrschte in Europa fünfzig Jahre lang Friede (1815-1866). Sodann schützte und schützt der NATO-Schirm Europa seit 1949.

Die EU – für Politiker ein wohlgelittener „Zwang von oben“
Ganz klar folgen die Organe der EU, Kommission, Rat und Gerichtshof, nicht nur formalen Abläufen, sondern materiell bauen sie die nationalen Umverteilungen, Regulierungen und sozialrechtlichen, arbeitsmarktlichen Sicherungen der 70er Jahre nun auch auf europäischer Ebene aus. Und sie versuchen diese zu harmonisieren, immer im Namen des Binnenmarktes und gegen nationale Vorteilssuche. Die EU ist ganz „sozialdemokratisches Zeitalter“ (Ralf Dahrendorf). Dazu wird das als EU verfasste Teil Europas als Idee Europa sakralisiert.
Der Unterschied zwischen EU-Schwärmern und EU-Skeptikern ist demnach ihr gesellschaftliches Projekt, Sozialismus oder Liberalismus, nicht Hoher Mut oder Eigenbrötelei.

Hinzu kommt die von Demokratielehrern wie von Praktikern beobachtete Niveau-Inkonsistenz des regulatorischen Niveaus: Die Politiker sind in parlamentarischen Demokratien (also Ländern ohne direkte Volksrechte bei Abstimmungen) einem Biet-Wettbewerb des „immer mehr“ zugunsten der Wähler und der maximierenden Kreuzkompromisse verschrieben. Wenn sie aber fürchten müssen, damit auf ihrer Aktionsebene nicht durch zu kommen, verlegen sie die Projekte auf die höhere Ebene. Diese werden dann als unumgänglicher Zwang dem einheimischen Publikum auferlegt (gute Darstellung in: Larry Siedentop, „Democracy in Europe“, Allen Lane, 2000).

Diese Hierarchisierung zugunsten des „immer engeren Zusammenschlusses“ war schon in den Römer Verträgen 1957 angelegt (Präambel). Desgleichen sollten die Arrangements in den Bereichen der Sozialpolitik „im Sinne des Fortschritts“ erfolgen, also auf höchstem Regulierungsniveau – damals Frankreichs (heute AEUV art. 151). Doch damit ergibt sich, nach 50-jährigem Gebrauch und Missbrauch durch fast alle Entscheide des Europäischen Gerichtshofs eine maximale Integrationstiefe - und das hochgelobte Subsidiaritätsprinzip ist toter Buchstabe geblieben und wird dies in der EU immer bleiben. Der Art. 5 des Lissabonner Vertrags schlägt aber eigentlich alle Kompetenzen, die nicht in den Verträgen geregelt sind, den Mitgliedstaaten zu.

Zwei Spielarten des Binnenmarkts

Als der EuGH 1979 mit dem "Cassis-de-Dijon-Prinzip" festlegte, dass Güter gemäss den nationalen Regeln auch im ganzen Binnenmarkt vertrieben werden dürfen, stiess er diesen gewaltig und auf Anhieb an. Charakteristikum einer Freihandelszone ist grundsätzlich, dass es keine Zentralbehörde gibt (z.B. in der EFTA, in der NAFTA). Jedoch wurde von den Integrationsverfechtern eine "Einheitliche europäische Akte" 1987 durchgesetzt, welche für viele Bereiche, den Binnenmarkt, Mehrheitsentscheide statt Einstimmigkeit einführte. Die EU-Kommission reagierte sofort mit Tausenden fallweiser Vorschriften (Richtlinien) bis heute, um ihre Kompetenz zu betonen - nur so seien die Güter binnenmarktgerecht. Vom ab 1979 bereits freien Binnenhandel kam die EU so zu einem zentralstaatlich definierten Binnenmarkt. Der EuGH billigte diese Schritte. Die Kommission hat den Wettbewerb der Lösungen umdefiniert zum "Vorrang des Gemeinschaftsrechts", insbesondere mit dem Vorwand eines einheitlichen Binnenmarkts, der über den nationalen Regeln stehe.
(Bekanntlich haben Freihandelszonen keine zentrale Behörde nötig, so haben EFTA oder NAFTA nur kleine Sekretariate. Die EU-Kommission wäre unter Cassis-de-Dijon-Freihandel weitgehend unnötig...)

Der „Wettbewerb der Lösungen“ hat Europa gross gemacht

Nach dem Zerfall des karolingischen Reiches (Vertrag von Verdun 843) bildeten sich in Europa viele Einzelstaaten heraus, welche verschiedene Wege der gesellschaftlichen Organisation wählten: Republiken/Monarchien, Seefahrerstaaten/Kontinentalmächte, Aristokratien/Bürgerschaft. Peter Blickle hat diese selbstverwalteten Städte, Bünde, Gemeinden als "Kommunalismus" zur Ablösung des Feudalismus beschrieben - als Quelle der Freiheit. In neuerer Zeit schälten sie ganz unterschiedliche Wohlfahrtssysteme heraus (Versicherungs- oder Umverteilungsprinzip), unterschiedliche Arbeitsmärkte (Vertrauen darauf, dass viel Arbeit auch viel Arbeitsstellen schafft wie in Dänemark, Norwegen oder der Schweiz, oder Angst und Abbau individueller Arbeitszeiten zur „Arbeitsumverteilung“), hohe Belastung der Arbeitslöhne durch Lohnabgaben (F, D, B) oder aber Finanzierung des Sozialstaates durch direkte und indirekte Steuern (Dänemark), Altersrenten aus Kapitalerträgen (NL, CH) oder aus reinen Umlagesystemen (D, F, I). Auch die Haltung zur Geldwertstabilität war völlig verschieden – harte Währung in D, wenig Fiskal- und Lohndisziplin in I, F, E, GB, Irl.
Jedenfalls sehen Historiker wie David Landes („The Wealth and Poverty of Nations“, 1998), oder jeder Beobachter mit offenen Augen, dass dieser „Wettbewerb der Lösungen“ ein Test von Gesellschaftspolitiken am „lebendigen Leib“ ist und damit schlüssige Vergleiche, ja Empfehlungen, liefert. 

Das wirkliche Demokratie-Defizit der EU

Die EU-Skeptiker beklagen oft die fehlende Demokratie der EU-Institutionen. Zwar ist richtig, dass es wenig Mitbestimmungsrechte des EU-Parlaments gibt, dass die EU-Kommission das alleinige Vorschlagsrecht hat. Doch umfassendere Kompetenzen für das EU-Parlament, oder gar europaweite Volksabstimmungen wären der Staatsstreich, welcher solchen EU-Organen die „Kompetenzkompetenz“ gäbe und sie zum Bundesstaat machte.
Undemokratisch wurde verfahren, als die Bürger Frankreichs und Hollands 2005 die vorgeschlagene „Verfassung der EU“ ablehnten, diese sodann materiell identisch zum „Lissabonner Vertrag“ umgeschrieben und durch die Partei-/Regierungsspitzen der Mitglieder beschlossen wurde. 
Die einzigen Völker, die eigens zum Euro befragt wurden, lehnten ab: Dänemark, Schweden.

Das Hauptproblem ist der EuGH - ein Gleichrichter von oben, ohne Volk, Parlamente, Regierungen 

Rechtsbrechend ging der Europäische Gerichtshof vor, als er 1963 die Direktwirkung auf Individuen und Gerichte, und 1964 den Vorrang des EG-Rechts vor nationalen Gesetzen und 1970 vor den Verfassungen verfügte, auch den Binnenmarkt in Individualrechte umdeutete, und auch daraus sich die Kompetenz nahm, „überwiegendes Allgemeininteresse“ vor nationale Regeln zu setzen. Damit schob er den EU-Organen nie von den Mitgliedstaaten beschlossene Kompetenzen zu. Die Verträge sind vollends "konstitutionalisiert" (Dieter Grimm).
Die frivole Geldschöpfung, unter Bruch der Regeln, durch die EZB billigt der EuGH. Als das deutsche Bundesverfassungsgericht 2021 dies als "ultra vires" (über die Kompetenzen hinaus) bezeichnete, wollte die EU-Kommission Deutschland einklagen, doch dessen Regierung kuschte und erklärte freihändig in einem blossen Brief am 3. August 2021 (noch Regierung Merkel) die Ueberlegenheit des EuGH - ohne Verfassungsgericht, ohne Bundestag, und natürlich ohne Volksabstimmung. So hat sich Deutschland zur Satrapie gemacht.
Die Dänen haben sich Ausnahmen von dieser Gerichtsbarkeit erstritten.
Geradezu einen Staatsstreich stellt die Weigerung des EuGH dar, die EU als Mitglied den Strassburger Institutionen beitreten zu lassen. Doch im Lissabonner Vertrag haben alle Mitgliedsländer einstimmig dieses Ziel eingeschrieben. Das Gericht verhindert es, es will keine "fremden Richter".
Kurz, der EuGH, zusammen mit der EU-Kommission durch deren Umdeutung des Binnenmarkts auf alle Fragen (z.B. fast ganzes Arbeits- und Sozialrecht), samit den bloss mehrheitlichen Entscheiden unterstellt, haben der EU die "Kompetenzkompetenz" zu geschoben (die Kompetenz, selbst ihre Komeptenzen festzulegen), eine Staatlichkeit, die nie beschlossen wurde. Das ist Selbstermächtigung, Autopoiesis gemäss N. Luhmann) und bricht in krasser Weise den Art. 5 des Vertrags.

Diese Anmassungen des EuGH könnten nur durch Vertragsrevision  - also einstimmig - abgesetzt werden. Bei Vertragsrevisionen brechen aber alle Ansprüche der Länder wieder auf, es geht kaum. Der Ausbau der EU durch das Gericht verschraubt daher die Macht. Die EU erstarrt institutionell, kann nicht rückgebaut werden. Sobald Imperien solche Endzustände erreichen, verlieren sie den Tritt mit der Realität. Das Ende ist selten gut.

Zusätzliches Demokratieproblem sind die nationalen Vorgänge: in parlamentarischen Demokratien fällt die Regierung, und das Parlament wird meist aufgelöst, wenn die Regierung eine Vertrauensabstimmung verliert. Deshalb verpflichten die Regierungen, und damit die Parteiapparate dahinter, sowie auch die Oppositionsparteien ihre Parlamentarier strikte auf die Parteilinie. Diese aber wird von wenigen Personen der Partei- und Regierungsspitzen festgelegt. Widerstrebende Parlamentarier werden sanktioniert, werden zur nächsten Wahl in aussichtslose Wahlkreise oder auf hinterste Listenplätze gesetzt, werden nicht mehr in Ausschüsse gewählt und damit zu Hinterbänklern etc. Damit wird EU-Europa top-down regiert - die Partei- und Regierungschefs legen national die Richtlinien fest, treffen sich als EU-Rat und entscheiden dort für die EU, und zwingen sie den nationalen Parlamenten ohne möglichen Widersprich auf. Es ist eine Parteizentralen-Diktatur, national und europaweit.
Die Demokratie, sogar ohne direkte Abstimmungen, ist dagegen erreicht, wenn der Bürger auf den Wahllisten der Parteien Namen streichen, kumulieren und von andern Parteien einsetzen darf (Panaschieren). Dies entmachtet die Parteistäbe, ist bottom-up. Die Gewählten können gegenüber der Partei und den Einpeitschern im Parlament sagen, "ich habe euch den Sitz gebracht".

BREXIT
Englands Austritt vor allem nahm der EU enorme Potenz, auch militärisch, denn GB hat einen der zwei ständigen EU-Sitze im UNO-Sicherheitsrat, 20 Stützpunkte weltweit, zusammen mit den USA, und die einzigen zwei einsatzbereiten Flugzeugträger. Die Rest-EU ist strategisch ein Schwänzchen westlich der eurasischen Landmasse.
Eine folgenreiche Wirkung hat - nach erfolgtem Austritt - der Uebergang der zur Sperrminorität entscheidenden Mitgliederländer-Stimmen von den nördlichen (eher finanziell soliden) Ländern auf die lateinischen, den fiskalischen Maastricht-Schranken feindseligen Mitgliedsländer.


Der Euro – eine brüchige Währungsunion 

Der Euroraum besteht seit 1999, und schon 2010 zeigten sich die Konstruktionsfehler, welche vorher klar beschrieben werden konnten: In einer optimalen Währungsunion (Nobelpreisträger Robert Mundell) können immer wieder „asymmetrische Schocks“ auftreten. Eine Region wird von einer Krise betroffen. Damit diese Regionen mit gleicher Währung, ohne die Möglichkeit auf- oder abzuwerten, wieder ins Lot kommen, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein – es müssen automatische Ausgleichszahlungen durch ein starkes Zentrum erfolgen (wie die Arbeitslosenversicherung im Bundesstaat Deutschland, Schweiz, Oesterreich, in den USA, und auch die bundesstaatlichen Finanzausgleiche, Transfers, Renten, etc.), und zweitens müssen die Arbeitskräfte von betroffenen Regionen weg wandern. Beide Bedingungen fehlen im Währungsraum des Euro.

Ganz schlimm: die 14 ehemaligen französischen Kolonien in Westafrika stecken im Euro, seit der ihrem CFA-franc gleichgestellte französische franc im Euro aufging. Sie können seither nicht abwerten, die zu billigen Importe überschwemmen sie, Exporte sind behindert, die Oberschicht kann ihr Geld zu Höchstkursen nach Paris senden. Diese erwzungene, koloniale Armut treibt die jungen Männer zu Hunderttausenden nach Europa. An diese Wurzel des Flüchtlingsproblems legt niemand die Axt an.

Euroland driftet auseinander

In den ersten 10 Jahren haben schon asymmetrische Schocks zu wirken begonnen, die Finanzkrise, die Immobilienkrise in Spanien und Irland, letztere, weil sie im Euro nicht mehr 10-12 Prozent Schuldzinsen, sondern deutsche Tiefzinsen von gut 4% bekamen und sich privat und staatlich massiv verschuldeten.  Ausserdem bricht der mentale Graben gegenüber dem Norden auf, weil der Süden in den Antinomien der 70er Jahre steckt (keine sozialpartnerschaftliche Kooperation, "Ungleichheit ist immer falsch, wer gewinnt und reich ist, hat Unrecht begangen und muss besteuert werden", etc.).
Die EU kennt nun Bruchlinien zwischen Nord/Süd, zwischen West/Ost (wegen Migration, und wegen unterschiedlicher Auffassungen über Demokratie, der Westen reagiert verständnislos und schulmeisterlich), und sie hat neuerdings eine Bruchlinie der "hanseatischen Liga", also der 12 Länder, die 2018 mitteilten, nationale Verantwortung anstatt EU-Fiskalität zu wollen (NL, B, Lux, A, Swe, Dän. Fin. Lettland, Litauen, Estland, Irl., Malta)

Staatsbankrotte? Austritt aus dem Euro?   

Griechenland näherte sich Ende 2009 aus diesen Gründen als erstes Mitgliedsland dem Staatsbankrott, wurde dann 2010 mit einem enormen Hilfspaket gestützt, darauf Irland, Portugal, Zypern, Spaniens Banken. Alle feierlich beschworenen Satzungen wurden dabei gebrochen: ab 2003 haben Deutschland und Frankreich, dann viele andere Mitgliedsländer die Defizit-Grenzen des Maastricht-Vertrags der EU gebrochen, dann 2010 den Art. 125 des Lissabonner Vertrags, der Hilfe an überschuldete Mitglieder untersagt ("verboten" steht wörtlich dort), und dann hat die Europäische Zentralbank entgegen ihrer Grundsätze und Regeln die Staatspapiere der Süd-Länder aufzukaufen begonnen, dann mit einem Schlüssel alle Staatspapiere, dann Unternehmensanleihen, dann hat sie, weil die Einleger im Süden auch aus den Banken flohen, gegen minderwertige Belehnungspapiere mehrere hundert Milliarden Euro in diese Banken eingelegt. Die EZB ist nun zur Geisel des Euroraums geworden, jeder Konkurs, jeder Austritt bedroht ihr eigenes Kapital. Die andauernde Geldschöpfung und die Tiefstzinsen sind die Bedingung, dass der Euroraum überlebt.

Der Euro ist eine Währung ohne Staat, die Mitglieder sind Staaten ohne Währung

Die vermeintlichen Sanierungen seit der Eurokrise enthüllten diese Feststellung.
Der Hilfsfonds European Stability Mechanism ESM ist plötzlich eine Bank und zog 500 Milliarden € Kredite für den Süden aus dem Nichts. Ausserdem sollen mit Garantie der Mitglieder des Euro gut 700 Milliarden Schulden auf den Märkten aufgenommen - und grosstenteils von der EZB dann aufgekauft und monetisiert werden (sie versprach dies am 15. März 2020). Dabei garantieren die überschuldeten Länder Frankreich, Italien und Spanien zusammen schon mal 49%.
Eine hastig gezimmerte Fiskal-Union sollte nach 2010 ausserdem strikte Budget-Disziplin verfügen. Doch im ESM und in der Fiskal-Union verfügen die überschuldeten Staaten über eine Blockiermehrheit gegen Sanktionen - aber D, A, Finl. unterschrieben es begeistert.
Weiter wird die EU 1000 Milliarden € als Budget-Defizite und neue Schulden innert 10 Jahren aufnehmen - ein krasser Bruch des Schuldenverbots des Vertrags (AEUV Art. 310 ff). Die EZB ist damit der einzige Anker des Euro geworden, dieser Anker hält so lange, als massiv Geld geschöpft wird und die Zinsen der Staatsanleihen überschuldeter Länder verbilligt werden.

Deutschland trägt damit bereits enorme potentielle Kosten - durch die Hilfspakete des ESM, durch die nicht eintreibbaren Guthaben der Bundesbank im Euro-System (target-Salden, gegen 1000 Milliarden schon), durch die Risiken der EZB-Aktiven, und durch die Mitabsicherung der 750 Milliarden an die halbbankrotten südeuropäischen und französischen Mitglieder.
Alle diese Regelbrüche und enormen Lasten gingen die nationalen Regierungsvertreter auf EU-Gipfeln untereinander ein, die nationalen Parlamente wurden vor vollendete Tatsachen gestellt und Abweichler bedroht.

Die Schweiz und die EU   

Ein Beitritt zur EU rechtfertigt sich grundsätzlich nicht, weil die Schweizer Bürger ein anderes Staatsverständnis haben. Die Volksrechte, der Fiskalföderalismus, eine immer noch bestehende Subsidiarität, die Idee, dass Staaten und Politiker nicht harmonisieren, sondern sich konkurrenzieren sollen – dies ist eine andere, liberale, also freiheitliche Welt. Es ist auch die Art des historisch bewährten, echten europäischen Geistes. Nicht die EU-Befürworter erfüllen Europas Geschick und Bestimmung, sondern die Schweizer, Briten und Norweger. 
Seit jeher baute sich die Schweizer Gesellschaft von unten nach oben auf, seit der Gemeindedemokratie der Dreifelderwirtschaft ab 12. Jh. (ganz wie die süddeutschen, lombardischen Städtebünde, die Hanse, die holländischen Generalstaaten). Ebenso hielt die Schweiz in der jüngern Geschichte Distanz zu den visionären, totalen Gesellschafts- und Staatsentwürfen der "Romantik" Europas (schrieb Isaiah Berlin), also zu Kommunismus, Sozialismus, Faschismus, Supranationalismus und viele andere -ismen. Diese Distanz beruht auf dem Selbstvertrauen des Bürgers und der Bürgerlichkeit, auf dem dazu notwendigen "minimal state". Das ist nicht isolationistisch, sondern die europäischen Flächenstaaten tendieren zu totalen Lösungen.

Das bessere Europa gibt es schon – die EFTA   http://efta.int 

Die EFTA sollte zu einer freiheitlichen, freihändlerischen Alternative gegenüber der EU aufgebaut werden. Dies wäre eine kreative und offensive Aufgabe für die Schweiz und Norwegen und für das ausgetretene Grossbritannien.
Die EFTA würde alle vier Freiheiten anbieten wie der EU-Binnenmarkt und die bilateralen Verträge auch, also für Güter wie heute, dann aber auch für Dienste, Personen und Kapital. Die wichtigsten Standardisierungen sind bereits international, nicht kontinental, und die Welthandelsorganisation WTO hat die Industriezölle fast beseitigt, den Zugang zu öffentlichen Märkten festgelegt, Diskriminierungen verboten und bietet erst noch obligatorische Schiedsgerichte bei Streitigkeiten. Eine Freihandelszone wie die EFTA beliesse jedem Land die Aussenhandelsgrenzen. Der geschichtliche Moment für ein alternatives Angebot zur EU ist gekommen. Die „immer engere Union“ hat den Segen der Völker nicht. 

Bilaterale, gut abgewogene Abkommen mit der EU

 Auf keinen Fall aber sollte die Schweiz aus Kurzsichtigkeit und Mutlosigkeit sich in die Arme eines überschuldeten, überalterten und überregulierten Kontinents werfen. 
Die wehleidigen Klagen vieler Verbände, Firmen, Verwaltungen schaffen für die EU laufend Gelegenheit für Gegenforderungen. Man ist eben nicht Mitglied, hat also nicht alle Vorteile...und Japan, China, USA und alle anderen liefern ebenfalls in diese EU. Würde die Schweiz stille halten, könnte sie, wenn die EU, was oft vorkommt, Aenderungen im Verhältnis will, selbst Forderungen stellen, denn die EU ist ihrerseits oft "demandeur". Die Schweiz braucht keine institutionellen Anbindungen, keine Unterwerfung unter das EU-Gericht dabei (dieses hat durch den Bruch des Beihilfeverbots in Art. 125 des Lissabonner Vertrags eine derartige politische Willfährigkeit gezeigt, dass Bern in Streitfällen nichts Gutes zu erwarten hätte).

Ausgerastet - das Verhandlungspapier "common understanding" Ende 2023
Die neuen Verhandlungen sollen demgemäss die dynamische Rechtsübernahme aus der EU für die Schweiz bringen, und zwar sogar rückwirkend auf bestehende Abkommen, und für alles, was in der EU noch kommt. Die Gesetzgebung wäre outgesourct. Darüber soll in letzter Instanz der EuGH urteilen, und drittens hätte die EU das Recht, bei bleibenden Meinungsunterschieden das betreffende Abkommen, oder gar alle anderen ("any other") zu kündigen - ein enormer Hebel würde ihr zugespielt.
Inhaltlich sähe man z.B. die Rechtsübernahme "in der ganzen Nahrungskette", also von der Saat bis zur Nestlé-Packung vor, enorme "Kohäsionszahlungen", EU-Recht in der Freizügigkeit, in den Sozial- und Umweltnormen, im ganzen Binnenmarkt. Und EU-Kommission, der EuGH definieren seit 1987 alles als "binnenmarktnotwendig".
Es gibt keinen anderen Handelsvertrag, der eine solche Satellisierung vorsieht - ausser jener zwischen Hongkong und China: da wissen wir aber, was daraus geworden ist - kuschen!


Der richtige Weg

  • Die Schweiz hat der EU klar zumachen, es gibt keine «institutionelle Anbindung», sondern gerne die situativen, bilateralen Abkommen, die auch die EU manchmal selbst anregt. Der Bundesrat soll endlich selbstbewusst werden. Wenn das geklärt ist, kann man souverän beideseitig auf Augenhöhe verhandeln.
  • Sodann soll der Bundesrat Schikanen («nicht-tarifarische Handelshemmnisse») der EU endlich einmal mutig vor der Welthandelsorganisation einklagen (was unter der «dynamischen Uebernahme des EU-Rechts» nicht mehr möglich wäre, aber was bei WTO mit neutralen Schiedsgerichten, nicht unter jenen des Vertragspartners, stattfindet). Die Schweiz hat gegenüber den USA schon mit solchen Klagen gewonnen. Die EU würde vorsichtig, weil solche Siege in der WTO auch gegenüber USA, Japan, China etc. gälten. 
  • Die Schweiz soll der neuen asiatischen, grossen Freihandelszone CPTPP beitreten, wie Grossbritannien. Dort und mit den USA wächst unser Handel, nicht mit dem überregulierten, überalterten, überschuldeten Europa. 
  • Die Forschungs- und Hochschulzusammenarbeit beansprucht hohe Sitzungs- und Koordinationsrunden, die besser in der Schweiz selbst für direkte Forschungen aufgewendet werden – die Schweiz steht mit Abstand vorne mit Patenten, Innovationen, im Hochschulranking.
  • Schliesslich soll die Schweiz, die am meisten EU-Bürger aufgenommen hat, den Zuzug aus der EU neu regeln, "Dublin und Schengen" kündigen, die auch in der EU selbst nicht mehr wie abgemacht gelten. Wenn die EU nicht will und die Schweizer dort schikanieren sollte: die vielen EU-Bürger mit ihren bisherigen Rechten hier sind dazu ein Pfand... die Schweiz könnte auch deren Rechte symmetrisch abbauen.
  • «Kohäsionszahlungen», die nach einem Tribut schmecken, soll es nicht geben, denn in Handelsabkommen gewinnen beide Partner, gemäss Freihandelslehre und in Praxis, sonst würden sie nicht unterzeichnen. Da sind keine Kompensationen notwendig.
  • Und grundsätzlich: die Schweizer Unternehmen sollen wegen ein paar Hindernissen für sie nicht wehleidig verlangen, die Souveränität des ganzen Landes nach 733 Jahren an den Nagel zu hängen. Die Unternehmen verfügen über einen viel besseren Zugang zum Markt rundum als Amerikaner, Chinesen, Japaner und die meisten anderen.

Der Volksmund sagt, undiplomatisch, zur dynamischen Uebernahme des gänzlich unbekannten künftigen EU-Rechts: «Der grösste Esel ist und bleibt, wer Ungelesenes unterschreibt».


Der Bundesrat und das Regierungssystem sind nicht europafähig
Hinzu kommt, dass das Schweizer Regierungssystem unkoordiniert, bottom-up, ohne Regierungsprogramm funktioniert, dass daher seine Minister nicht in der Lage sind, die EU-üblichen Kreuzkompromisse aus dem Stand heraus anzubieten und zuhause durchzuziehen. Das Parlament zuhause ist ihr nicht verpflichtet und stimmt oft dagegen. Diese Unkoordinierbarkeit spricht ausdrücklich gegen eine Mitgliedschaft in den Gremien der EU. Die Schweiz könnte dort eben gerade keine Stimme erheben, wie Beitrittsfreunde anführen.
Die Schweiz (wie Norwegen, Singapur, Südengland, Hongkong) wirtschaftet und lebt daher nicht im Alleingang, sondern im Weltgang.  


Jan. 2024